Loren Joseph
20.9.1999
Meine Schwangerschaft war ereignislos von Anfang an... keine Übelkeit, ich fühlte mich die ganze Zeit gut,
und wir waren so aufgeregt ein neues Leben willkommen zu heissen.
In der 34. Schwangerschaftwoche ging ich zur Kontrolle bei Carol, meiner Hebamme, es war Freitag den 17. September. Es war alles
in Ordnung, ausser dass ich zum ersten Mal zu viel Fruchtwasser hatte (Hydramnion) und es so schwierig war, das Baby
abzutasten. Carol gab mir einige Diäthinweise und wir planten, uns eine Woche später wieder zu sehen.
Samstagabend, dem 18. September, begann ich leichte, unregelmässige Wehen zu bekommen, die auch am nächsten Tag nicht
aufhörten. Ich rief meine Hebamme an und ging zu ihr für einen Untersuch. Sie war besorgt als sie sah, dass mein
Muttermund sehr weich, und schon einen Zentimeter weit geöffnet war. Wir beteten über das weitere Vorgehen bevor wir
zu einem Arzt gingen und im Swedish Hospital in Seattle anriefen. Der Perinatologe versuchte, mit einer 600mg Dosis von
Ibuprofen (alle sechs Stunden) die Wehen zu stoppen. Das Medikament würde die Zunahme des Fruchtwassers verhindern und
auf diese Weise die Wehen verringern. Falls die Wehen nicht innerhalb zwei Stunden abschwächen würden, müsse ich diese
Nacht noch ins Krankenhaus kommen für einen Ultraschall.
Wir hatten Eintrittskarten für ein Theaterspiel an diesem Nachmittag, das ich auf keinen Fall verpassen wollte. So
lachte ich mich durch die Vorführung hindurch, immer mit meinem Notizbuch in der Hand, in das ich jede Wehe einschrieb.
Carol erzählte dem Perinatologen von diesen Plänen, er meinte ich sei wohl verrückt! Doch später war ich
so dankbar über diese zwei Stunden Humor.
Das Ibuprofen zeigte keinerlei Wirkung, so gingen Carol und ich am späten Sonntagnachmittag ins Seattle Swedish Hospital.
Ich stellte mir vor, dass ich wegen der vorzeitigen Wehen übernacht im Krankenhaus bleiben würde, und nachdem am
nächsten Tag alles wieder unter Kontrolle sein würde, könne ich wieder nach Hause gehen. Deshalb blieb mein Mann Ray
mit den Kindern zu Hause.
Wir kamen ins Krankenhaus nachdem wir einen Vorrangsplatz auf der Fähre bekamen. Der Perinatologe Dr. P.
verschrieb mir eine Dosis Terbutaline um zu versuchen, die Wehen zu stoppen - ohne Erfolg. Ich war so dankbar über
Carols Anwesenheit ! Man brachte mich auf die vorgeburtliche Station, wo die Krankenschwester wiederholt und mit
Schwierigkeiten versuchte, Lorens Herztöne auf den Monitor zu bringen. Dr. P. hatte vor, einen Ultraschall und eine
Fruchtwasserpunktion durchzuführen, da er sagte, dass verfrühte Wehen oft durch intrauterine Infektionen verursacht
werden. Diese würden bei der Fruchtwasserpunktion erfasst. Ich zögerte sehr wegen der Fruchtwasserpunktion, doch der
Arzt meinte, es wäre das Beste, so erklärte ich mich doch einverstanden.
Die Utraschalltechnikerin hatte schöne lange Haare und eine brummige Haltung. Sie suchte meinen Bauch ab und sagte uns,
dass wir einen Jungen erwarten würden! Welche Freude erfüllte mich! Meine Vorahnung hatte mich nicht getäuscht! Sie
verliess den Raum kurz nach dem Beginn des Untersuchs, was ich nicht einmal bemerkt hatte, so aufgeregt war ich, das
Geschlecht meines Kindes zu wissen. Ein Radiologe kam herein und führte den Untersuch weiter. Ich solle mich auf
meine linke Seite drehen, er könne "keinen guten Blick auf den Kopf des Babys werfen". Ich dachte, er meine, der Kopf
sei zu weit unten in meinem Becken. Doch dies widersprach dem, was ich schon wusste... dass durch die zu grosse
Fruchtwassermenge das Baby frei in meiner Gebärmutter herumtreiben konnte. Das war das erste Anzeichen für mich, dass
irgendetwas nicht in Ordnung sein könnte. Doch ich hatte keine Zeit diesem Gedanken nachzugehen, als der Radiologe
sagte: "Hier ist die Nase, hier sind die Augen, und normalerweise sollte dahinter der Schädel sein."
Was für eine lausige Art und Weise, die verheerende Neuigkeit der Anenzephalie zu überbringen! Ich war wie betäubt!
Ich hielt mir die Ohren zu und schrie, er solle aufhören! Ich wollte dies von Dr. Petty hören. Ich ging sofort zu meiner
Hebamme zurück, und sagte: "Carol, das ist alles meine Schuld, ich kann kein Kind verlieren; das ist alles meine Schuld,
das ist nur wegen der Medikamente, die ich zu Beginn der Schwangerschaft nahm!!!!".
Sie versuchte mich zu trösten, und sagte zu dem Radiologen: "Sie können ihr doch nicht so etwas ohne jegliche Beruhigung
sagen! Sie ist Säuglingsschwester!" Doch alles, was er sagte, war: "Es tut mir leid, dies ist die schlimmste
Fehlbildung, die sie haben können."
Währenddem der Ultraschall gemacht wurde, versuchten die Krankenschwestern mir zweimal eine Infusion anzulegen. Nach der
Diagnose hyperventilierte ich, war geschockt und bekam eine grosse Dosis Beruhigungsmittel. Ich flippte völlig aus!
Pläne wurden gemacht, um die Wehen weitergehen zu lassen.
Ich rief Ray an und sagte "Komm jetzt!". Ich erklärte ihm, unser Baby sei ein Junge und dass er sterben würde. Er rief
sofort einen Freund an, der mit unseren älteren Kindern Ean (8), Erin (5) und Kate (2) bleiben sollte. Er weckte sie
auf, und sagte ihnen, er würde nun nach Seattle zu Mama fahren, unser Baby sei krank.
Ray kam um 2:15 Uhr morgens an, er hielt mich und wir weinten zusammen. Die ganze Nacht über blieben wir auf der
vorgeburtlichen Station. Wir versuchten, einen Namen für unseren Sohn zu finden. Wir entschlossen uns, ihn Loren Joseph
zu nennen - Loren in Gedenken an seinen Vater (es ist Rays mittlerer Name), und Joseph nach Jesus' irdischem Vater.
Meine Wehen waren unregelmässig und wurden durch die Beruhigunsmittel gedämpft, so beschlossen wir, etwas durch Pitocin
nachzuhelfen. Um 8 Uhr morgens begann die wirkliche Geburt. Ich bin eine vehemente Verfechterin der Hausgeburt ohne
Medikamente, der natürlichen Geburt, doch ich wollte die Schmerzen der Wehen, die mein totes oder bald sterbendes
Baby zur Welt bringen würden nicht fühlen ! Sobald das Pitocin erhöht wurde, bekam ich eine
Epiduralanästhesie. Sie wurde während der ganzen Geburt beibehalten. Ich konnte meine Beine ohne fremde Hilfe bewegen.
Den ganzen Tag hindurch bekam ich schwache Beruhigungsmittel, so wie in der vorangegangenen Nacht.
Als meine Fruchtblase mittels eines Häckchens um 9:30 Uhr gebrochen wurde, schoss eine gewaltige Menge Fruchtwasser
heraus... Jede Menge Tücher wurden zum Aufnehmen gebraucht! Ich musste daliegen, als ein uns und der Schicht neuer Arzt
hereinkam, um meine Fruchtblase zu brechen. Er sagte mir nicht einmal, was er tat. Er griff nur hinein, und versuchte
mehrere Male, die Blase zu brechen. Das dritte oder vierte Mal gelang es ihm schliesslich. Ich fühlte mich wie ein
Gegenstand. Wenn wir gewusst hätten, was er tun wollte, hätten wir es nicht erlaubt! Am Freitag - war das
wirklich erst vor drei Tagen? - hatten wir gelesen, dass die beste Weise mit Polyhydramnios während der Geburt
umzugehen sei, eine kleine öffnung in der Blase zu machen, damit so das Fruchtwasser langsam abfliessen kann. Das
beugt einer Plazentaablösung und einem Nabelschnurvorfall vor. Ich glaube, dass die Art und Weise des Arztes, die
Fruchtblase zu brechen, Loren's Tod in mir beschleunigte. Wir werden es nie wissen, denn Lorens Herztöne wurden nicht
aufgezeichnet, nur die Wehen.
Die Arbeit ging nur langsam voran. Zu einem gewissen Zeitpunkt musste ich mich erbrechen, ich dachte, ich wäre in der
übergangsperiode, doch mein Muttermund war nur 5 cm weit geöffnet. Später erfuhr ich, dass es für Mütter von Babies
in Anenzephalie typisch ist, eine lange Geburt zu haben, da der Kopf zu klein ist, um wirkungsvoll auf den Muttermund
zu drücken. Ich versuchte mich auszuruhen, zu schlafen. Ich brauchte es so dringend, da ich die vergangenen zwei Nächte
nicht schlafen konnte. Doch bei dem ganzen Lärm und Umtrieb im Krankenhaus war es schlicht unmöglich. Am späten
Nachmittag habe ich vielleicht einmal geschlafen, als ich aufwachte, war etwas anders. Ich nahm das Laken von meinen
Beinen und Lorens Kopf war schon draussen! Zu diesem Zeitpunkt waren Ray und ich allein im Zimmer. Die Krankenschwester
kam gerade von ihrer Pause zurück. Sie rief nach einem Arzt, doch ich sagte Ray, er solle seinen Sohn selber an sich
nehmen. Er machte es, und legte unseren Sohn auf meinen Bauch. Ich erinnere mich daran, wie ich dachte, "warte einen
Moment, er bewegt sich nicht, er ist fleckig und blau, seine Nabelschnur ist weiss. Er ist tot!"
Das hatte ich nicht wirklich erwartet; Ich dachte, er würde kurz nach der Geburt sterben. Das war der Moment der
Wahrheit für mich... Ich musste in einem Moment aufnehmen, dass dieses wertvolle, gewollte und wunderbare Baby
schon von uns gegangen war. Die Zeit schien stillzustehen, als ich diesen Verlust akzeptierte. Doch es waren nur wenige
Sekunden bevor ich nach Wasser verlangte, um ihn durch die Taufe im Himmel willkommen zu heissen.
Wir liebten ihn so! Ich streichelte ihn, küsste ihn und bemutterte ihn. Ray half mit ihn zu wiegen, zu baden und ihn
anzukleiden, dann machten wir viele Fotos von uns und unserem Sohn. Mein Bruder Jim, der den ganzen Tag hindurch das
Bedürfnis empfunden hatte, zu uns zu kommen, kam hinein und hielt unseren Sohn über eine Stunde lang. Der
Krankenhauspriester kam und taufte Loren noch einmal. Nachdem meine Epiduralanästhesie abgeklungen war, brachten wir
Loren nach Hause nach Sequim. Er verbrachte die Nacht mit uns und hatte das Glück, seine älteren Geschwister und meine
Schwester Theresa zu treffen. Theresa und ihre Tochter Emma waren gekommen, um zu helfen.
Ray war der erste gewesen, der seinen Sohn berührt hatte, und der letzte, der ihn in die Leichenschauhalle brachte, um
ihn für die Kremation vorzubereiten. Er fuhr zuerst mit Loren durch unsere Stadt, unsere Nachbarschaft, zeigte ihm wo
er gespielt und gelebt hätte, und sagte ihm auf Wiedersehen.
Die Woche nach seinem Tod verbrachten wir mit den Vorbereitungen für die Beerdigung. Wir wählten Bibeltexte, Gebete,
Musik und Gedichte aus, die vorgetragen werden sollten. Die Feier von Lorens Leben wurde am Samstag, dem 25. September
in der katholischen Kirche von St.Joseph's in Sequim, WA, abgehalten. Ein Mittagessen folgte bei uns zu Hause.
Loren Josephs Leben, wenn es auch sehr kurz war, ist ein wertvolles und wertgeschätztes Geschenk für alle von uns.
Gott war der Lorens Schöpfer, er war während seines ganzen Lebens und seines Todes anwesend. Seine Hand war über der
Entdeckung seiner Fehlbildung, seiner Geburt, dass Ray der erste sein konnte, der seinen Sohn halten durfte. Er war in
all der Liebe und Unterstützung, die wir erfahren durften, seit unser Baby gestorben ist. Wir wissen, dass er sich über
den kleinen Engel freut, der am 20. September 1999 zu ihm gekommen ist.
Ann Marie, Ray, Eran, Erin und Kate
Aktualisierung:
Ann Marie und Ray haben nach Loren noch mehr Kinder bekommen:
Tess Elena ~ Fehlgeburt Juni 2002
Claire, geboren 2000,
Aidan, geboren 2003,
Jack, geboren 2005
Joseph Isaac geboren 2008
Fiona Maeve ~ Fehlgeburt Februar 2010
Gianna 2010, hatte Trisomie 18 und lebte zwei Wochen
Letzte Aktualisierung dieser Seite: 25.02.2019