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Michaela Ann und Eric Milton

 

Michalea Ann, baby in Anenzephalie

13.4.2000 - 19.4.2000

Als ich etwa in der 15. oder 16. Schwangerschaftswoche war, fragte mich mein Arzt, ob ich den AFP-Test (Alphafoetoprotein) machen lassen wolle. Bei diesem Test sucht man nach Anzeichen von Neuralrohrdefekten (Spina bifida und Anenzephalie) und Down Syndrom. Es war nur eine Blutabnahme, weshalb sollte ich das nicht machen lassen? Ich machte mir überhaupt keine Sorgen, dass etwas nicht in Ordnung sein könnte. Mein Arzt sagte mir, ich solle nicht erschreckt sein, falls der Test positiv sein würde. Es sei nur eine überprüfung, die nicht einmal besonders zuverlässig sei. Mehrere Tage lang dachte ich gar nicht mehr daran. Nachdem ich mich wieder erinnerte, dass ich diesen Test machen lassen hatte, rief ich in der Praxis an, um die Resultate zu erhalten. Als mein Arzt zurückrief, um mir sie mitzuteilen, wusste ich, dass etwas nicht stimmte. Ich bin seit sechs Jahren seine Patientin, und er war nicht wie sonst. Er sagte mir, die Resultate seien wirklich sehr hoch, das könne ein Anzeichen für einen Neuralrohrdefekt (NRD) sein. Mein Wert hätte bei 2,5 liegen sollen, statt dessen war er bei 10,6. Ich war schockiert. Er sagte mir, er würde im Krankenhaus anrufen, um einen Ultraschall durchführen zu lassen. Ich war völlig aus der Fassung gebracht. Ich weinte und weinte, und dachte nach, was alles nicht in Ordnung sein könnte. Ich wusste, dass hohe Resultate auch bedeuten können, dass es Zwillinge sind. Dave war überzeugt, dass es sich nur darum handeln würde. Am nächsten Morgen bekam ich einen Termin für einen Ultraschall für die nächste Woche. Das war eine schreckliche Woche. Ich weinte jeden Tag.

Endlich war der Tag für den Ultraschall da. Wir waren ziemlich nervös, da wir nicht wussten, was wir herausfinden würden. Ron, der Ultraschalltechniker, begann die gewöhnlichen Messungen zu machen. Als er zu den Köpfchen der Babys kam, fragte Dave, ob alles in Ordnung sei. Er sagte, er müsse den Arzt holen. Mein Herz sank als er dies sagte. Ich wusste, etwas stimmte nicht. Der Arzt kam herein, schaute einige Sekunden auf den Bildschirm, und sagte, er würde zurückkommen, sobald Ron fertig sei, um eventuelle Fragen zu beantworten. Schliesslich war Ron fertig, und der Arzt kam wieder hinein. Er fragte, ob wir Fragen hätten. Ich sagte, nein, falls alles in Ordnung ist. Er sagte, es sei nicht alles in Ordnung. Es gebe Gutes und Schlechtes. Es seien zwei Babys da, doch eines von ihnen hätte eine schwere Anomalie. Ich dachte vielleicht Spina bifida (ich hoffte, es sei dies), doch er sagte, es sei schlimmer als das. Er sagte, das Gehirn des Babys hätte sich nicht entwickelt, ein Zustand, den man Anenzephalie nennt, mit dem überleben unvereinbar. Ich war wie benommen. Er hätte schon mit meinem Arzt gesprochen, der mich an diesem Nachmittag sehen wolle.

Wir gingen für einige Stunden nach Hause und suchten in dieser Zeit im Internet nach Informationen über Anenzephalie. Dann gingen wir zu meinem Arzt. Er meinte, es wäre das Beste nach Fargo, North Dakota, zu einem auf Risikoschwangerschaften spezialisierten Frauenarzt zu gehen. Mein Arzt ist Allgemeinpraktiker und behandelt nicht gerne Risikoschwangerschaften. Ich hasste es, ihn verlassen zu müssen, doch ich wusste, es würde zum Besten sein. Ich war ziemlich nervös, den neuen Arzt zu treffen, da ich dachte, kein Arzt könne so gut sein wie meiner. Doch so bald ich ihn kennengelernt hatte, wusste ich, dass es in Ordnung war. Er war ein guter Arzt. Er verordnete regelmässige Ultraschalluntersuchungen, um das Wachstum des gesunden Babys zu kontrollieren. Er sagte, manchmal nimmt das kranke Baby alles, und das gesunde Baby bekommt nichts mehr, was wir ja nicht wollten. Ein nächster Ultraschalltermin wurde abgemacht. Da wir die Babys mit ihren Namen ansprechen wollten, fragte ich die Technikerin, ob sie das Geschlechte der beiden Babys herausfinden könne. Sie meinte, das Baby mit Anenzephalie sei zu 90% ein kleines Mädchen. Dann schaute sie das gesunde Baby einige Sekunden an und sagte, es sei ein Junge. Er spreizte seine Beine weit auseinander!

Wir hatten uns schon Namen überlegt, seitdem wir wussten, dass wir Zwillinge erwarteten. Dave wollte den Jungen nach seinem Grossvater nennen. Sein Name war Milton, was nicht gerade zu meinen Lieblingsnamen gehört! Ich sagte, das könnten wir schon tun, aber als zweiten Namen. Eric passte gut zu Milton, so entschlossen wir, dass dies die Namen unseres kleinen Jungens sein würden. Ich fand es schwierig zwischen Mackenzie und Michaela für unser kleines Mädchen zu entscheiden. Nachdem wir herausgefunden hatten, dass Michaela 'Die wie Gott ist' bedeutet, war alle Unentschlossenheit wie weggewischt. Ihr zweiter Name würde Ann sein, das ist auch mein zweiter Name. Ich wollte, dass sie immer etwas von mir mit sich haben sollte.

Ende Februar begann ich Wehen zu haben. Am 26. Februar wurde ich ins Krankenhaus aufgenommen. Ich blieb die Nacht über und bekam verschiedene Spritzen, um die Wehen zu stoppen. Von diesem Augenblick bis zum 13. April, dem Tag, an dem die Babys zur Welt kamen, musste ich mehrere Male ins Krankenhaus wegen vorzeitiger Wehen. Das letzte Mal war in der ersten Aprilwoche. Als ich entlassen wurde, fühlte ich, dass Eric sich wie verrückt bewegte. Er hatte während der ganzen Schwangerschaft mit dem Kopf nach unten gelegen, doch ich hatte das Gefühl, dass er nun in Steisslage war. Ich denke, dass er sich umgedreht hat, da er wusste, dass seine Schwester eine normale Geburt vielleicht nicht überleben würde. Als ich am 11. April den nächsten Ultraschall hatte, fragte ich, in welcher Position das gesunde Baby sei. Er sagte mir in Steisslage.

Das war nicht das, was ich hören wollte. Ich wollte keinen Kaiserschnitt. Als wir oben bei unserem Arzt ankamen, fragte er uns, was wir davon halten würden, unsere Babys am Donnerstag zu bekommen. Er sagte, die Wahrscheinlichkeit, dass sich Eric noch drehen würde, sei sehr gering. So wäre es das Beste, einen Kaiserschnitt zu machen. Er hatte bald Urlaub und wollte nicht, dass die Geburt in seiner Abwesenheit losgehen würde.

Ich war gleichzeitig glücklich und traurig. Ich erinnere mich, wie ich weinte, als ich auf dem Tisch im Untersuchszimmer sass. Ich freute mich, dass ich meine Babys in zwei Tagen kennenlernen würde, und traurig, weil ich wusste, dass ich Michaela in zwei Tagen auf Wiedersehen sagen müsste.

Ich war sehr besorgt über den Kaiserschnitt. Mit 23 hatte ich einen schweren Schlaganfall gehabt, und muss seither Blutverdünner einnehmen. Ich hatte Angst, entweder zu verbluten, oder dass mein Blut sich wieder verdickte und ich einen erneuten Schlaganfall erleiden würde.

Dave und ich kamen um 9.30 Uhr an. Die Operation war auf 12.15 Uhr angesetzt. Nachdem ich den ganzen Papierkram erledigt hatte, brachte die Krankenschwester mich aufs Zimmer und dann waren Dave und ich alleine. Er machte einige Fotos von mir, damit wir nicht vergessen würden, wie gross mein Bauch war! Als wir um 12.30 Uhr in den Operationssaal herübergingen, wartete ich nur darauf, dass Eric sich wieder drehen würde. Ich hatte noch nie eine Operation, es war so kalt in dem Raum, es waren 7 Krankenschwestern dort, mein Arzt, ein Neonatologe (falls Eric Probleme haben würde, sie waren ja 3 Wochen zu früh dran), und all diese scherenartigen Instrumente! Ich war so verängstigt. Sie legten die Epiduralanesthesie an, und nach einer Minute fühlte ich nichts mehr. Ich hatte nicht mal gemerkt, dass sie schon begonnen hatten, bis Dave sagte "sie bewegt sich!" Ein Felsbrocken fiel von meinen Schultern, als er das sagte. Wir wollten so sehr, dass sie lebend zur Welt kommt! Mein Arzt sagte "Hier ist sie" und ich hörte den Neonatologen sagen, sie hätte eine ziemlich schlimme Fehlbildung. Ich dachte, sie hätte auch Spina bifida oder eine Kiefer- und Gaumenspalte. Ich hörte kein Weinen, und dachte, sie sei schon gegangen. Doch dann hörte ich einen kleinen Schrei und ich begann zu weinen. Ich fragte Dave, ob sie das gewesen sei, und er sagte ja. Sie saugten ihr die Atemwege ab, und gaben sie mir dann.

Sie war so wunderschön! Ich konnte nicht glauben, dass dieses perfekte kleine Wesen aus mir gekommen war! Sie war jedoch sehr blau. Ich hielt und küsste sie, sagte ihr, dass Mama und Papa hier seien, dass wir sie liebten, und dass es in Ordnung sei, wenn sie gehen müsse. Der Neonatologe meinte, sie würde nicht so lange leben, bis der Krankenhauskaplan da sein würde. So taufte er sie, während ich sie hielt. Sie überraschte uns alle. Eine Minute später kam ihr "kleiner Bruder" zur Welt. Er liess uns alle gleich wissen, dass er sehr gesunde Lungen hat!

Sie liessen mich ihn für einige Minuten halten, bevor sie ihn in den Säuglingssaal brachten. Er war so niedlich! Sie wogen und massen sie im Säuglingssaal. Michaela wog 1800 g und war 39 cm lang. Eric wog 2300 g und war 44 cm lang. Wir machten jede Menge Photos und hatten auch eine Videokamera mitgebracht. Wir wollten so viele Erinnerungen wie möglich haben in der kurzen Zeit, die wir dachten, die sie mit uns sein würde. Wir konnten ihren ersten und einzigen Schrei aufnehmen, als sie geboren wurde, und darüber bin ich so froh.

Wir wollten, dass so viele Leute wie möglich sie kennenlernen konnten. Wir hatten viele Freunde und Familienangehörige, die uns im Krankenhaus besuchen kamen. Er war sehr ermüdend, doch wir wussten, dass dies wahrscheinlich die einzige Gelegenheit für sie sein würde, Michaela zu sehen. Unsere Tochter Megan hatte zuerst Angst sie zu halten. Ich glaube, sie hatte Angst, sie würde sterben, während sie in ihren Armen war. Doch als sie einmal in ihren Armen war, war es schwierig, sie ihr wegzunehmen, damit auch andere sie halten können. Alyssa war nicht besonders glücklich über die ganze Situation. Sie war nicht mehr das Baby und mochte das gar nicht. Sie hat Michaela nie gehalten. Wir hatten sehr gehofft, dass sie es tun würde, doch wir wollten sie auf keinen Fall zu etwas zwingen, das sie nicht wollte. Ich denke, es hätte ihr mehr geschadet als geholfen.

Am Sonntag dem 16. April wurden wir aus dem Krankenhaus entlassen.

Vom Krankenhaus wurden wir an einen Pflegedienst verwiesen. Die Krankenschwester des Pflegedienstes war eine wunderbare Frau namens Melanie. Wir lernten sie am Montag kennen, als sie zum ersten mal zu uns nach Hause kam, um sich um die Schreibarbeit zu kümmern. Sie untersuchte auch Michaela. Ihr Puls war bei ungefähr 130, wie im Krankenhaus. Auch die Körpertemperatur war gleich wie im Krankenhaus; 34 Grad Celsius. Sie konnte ihre Temperatur nicht aufrecht erhalten. Im Krankenhaus hatte sie die meiste Zeit unter der Wärmelampe verbracht. Nachdem wir sie nach Hause gebracht hatten, wärmten wir ihre Kleider im Wäschetrockner auf.

Melanie sagte uns, dass wir sie jederzeit beim Pflegedienst erreichen könnten. Mein Allgemeinpraktiker, der die Babys noch nicht gesehen hatte, rief am Dienstagmorgen an. Er fragte, ob es in Ordnung sei, wenn er uns am Abend besuchen komme. Er wohnte etwa eine halbe Stunde von uns entfernt, und ich glaubte nicht, dass er kommen würde. Doch an diesem Abend kam er vorbei. Er freute sich sehr darüber, Michaela kennenzulernen, und ich war glücklich, dass er sie gesehen hatte. Melanie ging es an diesem Tag schlechter. Ihr Puls war auf 90 heruntergesunken. Ihr kleines Herz war es müde weiterzukämpfen. Als ich am Mittwoch zu ihr ging, hatte ich nicht erwartet, dass sie noch bei uns sein würde. Sie atmete immer noch, doch nicht besonders gut. Die Atmung war sehr langsam, und stockte immer wieder für einige Sekunden.

Daves Mutter wollte Familienfotos machen. Ich hatte überhaupt keine Lust, doch ich wusste, dass ich später so froh darüber sein würde. Um 18.50 Uhr waren wir wieder zu Hause. Einige Freunde kamen uns besuchen. Wir waren in ein Gespräch verwickelt, als Daves Mutter sagte sie denke es sei Zeit. Michaela fing an kleine Anfälle zu haben, und atmete überhaupt nicht mehr gut. Daves Mutter gab sie mir. Wir gingen zu Dave und setzten uns. Sie öffnete ihre Augen so weit, wie sie es noch nie getan hatte. Sie sah mich an und hörte auf zu atmen. Es war sehr friedlich. Das war um 20:20 Uhr. Dave und ich hatten uns solche Sorgen gemacht, dass wir zusehen müssten, wie sie um ihren letzten Atemzug kämpfen würde. Ich bin so froh, dass es nicht so geschehen ist.

Fünf Minuten später war Melanie da. Sie brachte sie für uns in die Leichenhalle. Das Schwierigste, was wir je machen mussten, war, Michaela Melanie für ein letztes Mal zu übergeben.

Wir wollten ihr alle etwas mitgeben. Daves Mutter kümmerte sich um den Anzug, in dem wir sie beerdigten. Dave war im Laden gewesen, um einige Einkäufe für mich zu erledigen. Er brachte auch etwas für beide Babys mit. Für Michaela fand er ein Paar kleine, rosarote Socken, die sie dann trug. Alyssa und Megan gaben ihr je ein Plüschtier. Kurz vor der Beerdigung gab ich noch ein Familienfoto mit allen sechs, das im Krankenhaus aufgenommen worden war, in den kleinen weissen Sarg.

Wir beerdigten sie am Tag nach Ostern. Es war eine sehr schöne Zeremonie. Auf dem Friedhof liessen alle rosarote Luftballons steigen. Es war mir, als ob wir ihre Seele zu Gott hinauf steigen liessen.

Nun sind schon bald acht Monate vergangen, seit wir sie begraben haben. Der Schmerz nimmt nicht ab. Sie fehlt mir noch genauso, wie in der Nacht, in der sie gestorben ist. Eric ist das Licht und die Freude meines Lebens. Wenn ich ihn ansehe, sehe ich sie. Ich bin so traurig für ihn, dass er das Band, das Zwillinge verbindet, nie kennenlernen wird. Ich denke, er wird immer wissen, dass sie über ihn wacht. Für mich wünsche ich mir, zu erfahren, was es heisst, Mutter von Zwillingen zu sein.

Kleine Dinge bringen mich aus der Fassung. Dinge, die ich gerne beide machen sehen würde. Für nichts auf der Welt, würde ich eine Sekunde davon hergeben.

Süsse Michaela, du bist unser kleiner Engel. Wir vermissen und lieben dich so fest. Jeder, der mit dir in Kontakt kam, ist dadurch besser geworden. Auch wenn du nicht hier bist, so wissen wir, dass du auf uns herunter siehst, wir werden dich nie vergessen. Du warst ein wunderbares, wertvolles Baby, dass ich sehr liebe. Ich vermisse dich, in Liebe Mummy.

Becky

 

 

Letzte Aktualisierung dieser Seite: 25.02.2019