Stella und Medeia
Die Diagnose Anenzephalie wurde in der 14.SSW gestellt,meine Gynäkologin
hatte mich eigentlich zur Nackenfaltenmessung einbestellt und ich
freute mich schon auf "Babyfernsehen" mit meinen 2
Bauchbewohnern.
Dann der Schock...
Sie sagte, sie hätte das Gefühl, mit dem einen Baby stimme etwas
nicht, sie könne das Köpfchen nicht darstellen, mir hat es
den Boden unter den Füßen weggerissen. Da ich
Kinderkrankenschwester bin, wusste ich auch sofort,was sie meint und
was die Diagnose bedeutet.
Netterweise hat sie dann persönlich
im Pränatalinstitut angerufen und uns noch für den selben
Tag einen Termin dort besorgt. Dort wurde die Diagnose leider
bestätigt.
Uns wurden die verschiedenen Möglichkeiten bei einer solchen
Diagnose aufgezeigt und erklärt, dass ein Fetozid des kranken
Babys mit 10% (!!!) Risiko für das gesunde Kind verbunden ist,
das Austragen des kranken Babys mit dem Risiko einer Frühgeburt,
v.a. durch das vermehrte Fruchtwasser.
Mein Mann und ich waren beide sehr geschockt & sehr sehr traurig. Eine Entscheidung
wollten wir auch nicht so schnell treffen, erstmal nach Hause und es
sacken lassen...
Wir haben es dann auch gleich den Freunden & der Familie mitgeteilt.
Ich habe die Entscheidung dann aber sehr schnell getroffen, dass ich das
kranke Baby NICHT töten lassen möchte, sondern ihr die Zeit
bei mir geben möchte das war die einzig richtige und gute
Entscheidung!!! Ich würde immer wieder so entscheiden!!!
Stella war ja nicht "absichtlich" krank, sie einfach zu töten
fand ich eine schreckliche Vorstellung, zumal mir das Risiko für
Medeia auch viel zu groß war.
In der 20. Woche wusste ich dann, dass ich 2 Mädchen bekommen werde.
Der Name für unser krankes Mäuschen war schnell gefunden:
Stella= Stern, weil sie ja leider gewiss zu den Sternen gehen würde.
Trotzdem oder gerade weil ich wusste, dass die Zeit begrenzt war, habe ich
versucht, die Schwangerschaft so bewusst wie möglich zu
geniessen.
Stella war ja im Bauch die deutlich Aktivere von Beiden
(man muss allerdings dazu sagen, dass Medeia unter bis zu 8l
Fruchtwasser z.T. ziemlich eingequetsch war) und ich habe die Schwangerschaft mit
ihr dadurch sehr intensiv gespürt und es sehr genossen, dass ich
zumindest diese Zeit mit ihr hatte. Sie ist auch immer im US
rumgeturnt und hat mich in ihren Bann gezogen und verzaubert. Dadurch
war sie mir viel "näher" als Medeia es mir in
der Schwangerschaft war.
Ich habe in der Schwangerschaft auch einen bezahlten Ultraschall extra
machen lassen, um möglichst viele Erinnerungen an Stella zu
haben.
Ich war vor der Geburt schon 2 Wochen in der Klinik, da
nach einer der Fruchtwasserentlastungspunktionen Medeia einen
Herztonabfall im CTG hatte und ich musste zur Überwachung jeden
Tag 4x eine Stunde ans CTG. Die Ärzte wollten die Beiden schon am
nächsten Tag holen, weil sie Angst um Medeia hatten, ich wollte
jedoch noch nicht, da mir die 33. SSW echt noch zu früh war. Die
weiteren CTGs waren zum Glück auch unauffällig, so dass ich
die Geburt bis zum 26. April noch "schieben" konnte.
Eigentlicher geplanter Termin war der 5. Mai, aber leider haben sich
die Ärzte dann auch keine weitere Diskussion und Verschiebung
eingelassen.
Zuerst wurde Medeia um 9.22 Uhr geboren, sie hat gleich geschrien und wurde
dann zu den Kinderärzten gebracht, die sie untersucht haben. Sie
wog 2155g und war 48 cm groß.
Dann wurde Stellas Fruchtblase geöffnet, ein riesiges Platschen
(hatte da 2 Tage nach Punktion gute 6 l Fruchtwasser allein bei ihr!)
und dann Stille...
Sie wurde ebenfalls sofort rausgebracht. Nach kurzer Zeit wurde mein
Mann, der mit im OP war, herausgebeten und ihm wurde Stella gezeigt
sie hatte den Kampf erst gar nicht aufgenommen.
Sie wurde dann zu uns in den OP gebracht, wo ich sie dann das erste Mal sehen
durfte meine kleine Prinzessin. Sie wog 1560g und war 38 cm groß.
Sie war so wunderschön, ich habe sie gestreichelt und mein Mann
und ich haben geweint, weil sie schon gegangen war.
Ich hätte
gerne einige Zeit mit ihr gehabt, bin aber dennoch froh, dass sie
sich so "entschieden" hat und sich nicht quälen
musste.
Da sie einen Herzschlag bei der Geburt hatte, gilt sie als Lebendgeburt und
wir konnten sie wunschgemäß noch im OP taufen lassen. Eine
Pfarrerin war bestellt, das hat alles sehr schön geklappt.
Nach der Entbindung hatten wir im Kreißsaalbereich einen eigenen
Raum, die Hebammen hatten ihn ganz süß mit Blümchen
und Kerze hergerichtet und haben Stella angezogen und in ein Körbchen
gelegt. Es war alles wirklich schön und würdevoll gemacht.
Wir haben dort noch gut drei Stunden verbracht, die Kleinen immer wieder
zusammen in den Arm genommen, uns gefreut über unsere zwei süßen
Mädchen und um unser Sternchen getrauert, das leider nicht bei
uns bleiben durfte.
Wieder auf Station habe ich ein eigenes Zimmer bekommen, wir hatten Stella
auch den ganzen Tag bei uns. Meine beiden anderen Kinder kamen dann
auch, haben beide Mädchen begrüßt und sich von Stella
verabschiedet. Es war eine schöne Atmosphäre, beide Mädchen
waren immer auf dem Arm und wurden geherzt und geküsst. Es
wurden auch viele Fotos gemacht.
Auch alle Freunde und Verwandten, die wollten, durften sich Stella ansehen.
Es kamen fast alle noch an dem gleichen Tag, um unsere kleinen
Prinzessinnen anzusehen und zu begrüßen und Stella zu
verabschieden.
Viele haben mir später gesagt, dass sie erst in dem Moment verstanden
haben, was Stella uns bedeutet und dass sie auch ein süßes
kleines Mädchen ist, welches immer zu uns gehören wird.
Dass sie es in dem Moment erst realisiert haben, was das für uns
bedeutet, dass wir wirklich ein KIND verloren haben.
Ich habe mich sehr gefreut, dass so viele gekommen sind auch am
nächsten Tag noch um uns ihr Mitgefühl zu zeigen und
ihren Beistand anzubieten.
Zur Nacht haben wir Stella dann in den kühleren OPBereich bringen
lassen, um sie uns morgens wiederzuholen.
Wir hatten sie bis einschliesslich Mittwoch (Montag war die Geburt) jeden
Tag bei uns, dann haben wir entschieden, dass wir uns nun endgültig
verabschieden und sie nicht noch einmal wiederholen wollen. Wir haben
es auch unseren Kindern gesagt, dass es nun das letzte Mal sein
wird, dass sie Stella zu sehen bekommen. Unsere Tochter (damals noch
3) hat geweint und wollte Stella unbedingt mit nach Hause nehmen. Da
sie sich aber ja das Köpfchen schon mehrere Male angeschaut
hatte und auch gemerkt hat, dass Stella schon ganz kalt und leblos
ist, hat sie verstanden, warum es nicht geht, dass Stella mit nach
Hause kommt.
Anschliessend habe ich meinen Mann gebeten, mit den Kindern noch eine Runde
rauszugehen, ich wollte mich nochmal alleine von Stella
verabschieden.
Es ist nach wie vor für mich nicht zu begreifen,warum unsere
Kleine so krank sein musste. Sie war so perfekt, ALLES dran, so
ein süßes Mündchen, so kleine Fingerchen, Händchen,
Füße. Nur das Köpfchen war leider nicht perfekt...
Sie roch so süß, ich werde diesen Geruch nie vergessen, so
rein, nach Baby, nach meinem Baby. Ich musste so um mein verlorenes
Kind weinen, ich glaube, ich habe noch nie vorher so geweint, wie an
diesem Tag.
Während ich diese Zeilen schreiben, laufen mir wieder die Tränen über
mein Gesicht.
Ich vermisse mein kleines Sternchen so sehr...
Ich würde alles dafür tun, sie gesund und lebendig bei
mir haben zu dürfen... Leider hat das Schicksal anders
entschieden...
Am Donnerstag nach der Geburt waren mein Mann
und ich beim Bestatter und haben die Beerdigung geplant. Wir haben
uns für eine Urnenbestattung entschieden, weil sie dann zu
meinen Großeltern mit ins Grab konnte. Wir finden den Gedanken
tröstlich, dass sie nun nicht alleine liegen muss, sondern dass
Uroma und Uropa auf sie aufpassen können. In Anlehnung an ihren
Namen haben wir uns für eine dunkelrote Urne mit Sternen und
einem Mond darauf entschieden, sowie einen Stern aus Moos, der mit
Blumen geschmückt war. Die Beisetzung fand in kleinem Kreis mit
einigen Freunden statt, die Pfarrerin hat es sehr schön und
würdevoll gemacht.
Samstag nach der Geburt bin ich dann
mit Medeia nach Hause gegangen. Die Ärzte haben sie mir auch nur
aufgrund der besonderen Situation mit 2040g nach Hause gegeben.
Stella ist nach wie vor präsent in unserer Familie und unsere große
Tochter spricht auch noch oft von ihr.
Für meinen Teil kann
ich sagen,es gibt keinen Tag, an dem ich nicht an sie denke und sie
vermisse, aber ich kann damit leben, dass sie nicht bei uns ist.
Sie ist ein besonderes Kind,welches sich uns als Eltern ausgesucht hat.
Sie hat unser Leben in ihrem kurzen Leben sehr bereichert und ich
freue mich, dass sie bei uns war, wenn auch nur so kurze Zeit.
Die Schwangerschaft war recht anstrengend für mich. Zum Einen, weil
ich sehr schnell unter massiver Übelkeit gelitten habe (habe in
gut 2 Monaten 13 kg abgenommen), dann hatte ich die schreckliche
Diagnose und dann halt auch leider sehr früh ordentlich
Sodbrennen.
Nach der 30.Woche kam dann dazu, dass das Fruchtwasser
massiv anstiegt und ich drei sehr schmerzhafte Entlastungspunktionen
machen lassen musste.
Letzte Aktualisierung dieser Seite: 27.02.2019